Wenn man den Wald um Guanshi Richtung Nordwesten betritt, kommt man nach zwei Wochen zu Pferd in den Amazonenwald und zu den Ausläufern des Kajobo-Gebirges. Seit mehr als 300 Jahren haben das Ostreich und die Kajobo-Amazonen ein Beistandsbündnis. Keine andere Nation hätte eine solche Allianz eingehen können, aber da das Ostreich seit jeher von einer Königin regiert wird, erkennen die Amazonen das Ostreich als gleichwertig an.

Das Amazonenreich grenzt im Westen an den Fluss Changhe, im Norden an das Riesengebirge (wovon das Kajobo-Gebirge eine Ausläufer ist) und im Osten an das verbündete Ostreich.

Keine Orks aus dem Alten Königreich, noch Riesen aus dem Riesengebirge haben seit der Zeit des Bündnis den Nordosten des Ostreiches um die beiden großen Städte Guanshi und Shancheng mehr bedroht.

Von Guanshi aus begleite ich den jährlichen Rinder-Treck ins Kajobo-Gebirge. Immer zum Freifraufest der Amazonen Anfang Herbst schickt das Ostreich 1.000 Rinder zu den Verbündeten.

Das archaische Freifraufest ist der Aufnahmeritus der Mädchen in die Riege der Kriegerfrauen. Eine Woche lang hat jedes Mädchen den Beißstock kunstvoll geschnitzt. Am Tag vor dem Fest wird der Stock mit Drebbe-Schilf umwickelt, dass eine leicht betäubende Wirkung hat. Denn zum Freifraufest wird den Mädchen eine Brust ausgebrannt, damit sie den Bogen sicher führen können und ganz Amazone werden.

Mir wird mulmig dabei, wenn ich mir vorstelle, welche Qualen ein Amazonenmädchen erleiden muss, um als Kriegerin im Stamm bleiben zu dürfen. Das betäubende Schilf ist nur dafür da, den Anfangsschmerz zu überstehen. Seine Wirkung verfliegt schnell und die zwei- bis dreiwöchige Ausheilphase muss ohne Hilfsmittel erduldet werden.

Wir erreichen eines Abends die Felsstadt der Amazonen. Pentixarxa schmiegt sich an einen Berg von 1.500 m Höhe. Die Rinder werden eingepfercht und schon morgen beginnt das Freifraufest.

Nach unruhigem Schlaf und verdöstem Tag werden abends riesige Feuer entfacht. Die ausgewählten Mädchen tanzen nackt um die Feuer zu hypnotischen Trommelrhythmen.

Jetzt beginnt es: das erste Mädchen greift nach ihrem Beißstock, dessen eines Ende einen Schlangenkopf ziert. Die Schamanin kommt mit einem großen, glühenden Holzstück auf sie zu. Das Mädchen kniet nieder und neigt sich nach hinten, bis es den Boden mit dem Kopf berührt: die Brücke der Freifrau.

Die auszubrennende Brust ist mit blauer Farbe umrandet. Ich will wegschauen und kann es doch nicht. Die Schamanin brennt seelenruhig zuerst die Brustwarze, dann den Rest der linken Brust weg, während das Mädchen sich windend in ihren Stock beißt und herzzerreißend ihr Brüllen zu unterdrücken versucht.

Nach einer Minute, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, ist es vorbei. Zwei Helferinnen der Schamanin helfen dem Mädchen auf und führen es zum nahegelegenen Gebirgsbach, wo sie die nächste halbe Stunde verbleiben darf.

43 Mädchen folgen. Ich habe mittlerweile den Weinschlauch geleert, den ich aus Guanshi mitgebracht habe, um meine Gastgeberinnen nicht zu beleidigen, indem ich wegschaue.

Erst zur zweiten Stunde nach Mitternacht ist das Fest vorbei.

Ich torkele in meine Behausung und bin froh, auf Yodan geboren zu sein und mit meinen 27 Jahren stolze Besitzerin zweier Brüste zu sein.

Aus dem Kajobo-Gebirge berichtete unsere Auslandskorrespondentin Atahima von Silberberg.