In der malerischen Binnenprovinz Ligruda geht es gemächlich zu. Das von vielen Flüssen durchzogene Gebiet ist fruchtbar und landschaftlich sehr abwechslungsreich. Im Westen ragt ein großer Ausläufer des Großen Waldes bis fast an die Provinzhauptstadt Ligrumaniera. Im Nordosten bietet ein großes Sumpfgebiet einer großen Ogerpopulation Unterschlupf. Der äußerst fruchtbare Süden ist sowohl geprägt von riesigen Reisfeldern, die die Ausläufer des Ogersumpfes nutzen, als auch von weitreichenden Maisfeldern. Das gebirgigere Gebiet des Südwestens ist geprägt von großen Viehherden und der Pferdezucht. Ein großer Teil der Pferde der königlichen Kavallerie stammen aus dieser Ecke. Dass auch viel Gemüse und vor allem Obst angebaut wird, sieht man an den bekannten Schnapssorten aus Ligruda. Das Kirschwasser Ligrumanese ist weltweit bekannt und auch der Pflaumenwein Prugnata wird international getrunken.
Bei so viel landwirtschaftlicher Beschaulichkeit verwundert den Besucher der Provinzhauptstadt die allgemeine Aufregung jede Woche am Crossos-Tag. Die ganze Stadt scheint schon früh auf den Beinen zu sein und alles strömt zur großen Arena. Jung und alt, Männer und Frauen – alles schnattert aufgeregt durcheinander und Kreidetafeln an jeder Ecke versuchen den Passierenden dazu zu verlocken, eine Wette abzuschließen. Denn heute findet das wöchentliche Ogerringen statt.
Schon seit über 250 Jahren gibt es hier in der Arena diese Kämpfe. Das Reglement ist kompliziert und gewöhnungsbedürftig. Es gibt eine Art Punktesystem. Ein abgebissener Finger zählt beispielsweise 10 Punkte, wohingegen ein Wurf auf den Rücken mit 30 Punkten zu Buche schlägt. Das Wort Ringen ist hier auch nur als ungefähre Beschreibung zu werten. Es sieht eher aus wie eine Balgerei von zwei Monstern mit Beißen, Kratzen, Schlagen und Würgen.
Auch gibt es nicht unbedingt einzelne Champions, sondern eher Mannschaften. Denn es wird nach Stämmen gekämpft und immer fünf Auserwählte in gemischten Teams aus zwei Ogerinnen und drei Ogern treten gegeneinander an. Wird ein Oger getötet oder kampfunfähig gemacht, kann der Sieger den anderen zu Hilfe kommen und so zwei zu eins oder drei zu eins Situationen schaffen. Genau darauf sind die Ligrumanieras besonders heiß, denn dann steigen die Wettquoten rasant. In einer theoretisch möglichen, aber selten vorkommenden Konstellation von 1 zu 5 erhält der Wettende den tausendfachen Gewinn, wenn der einzelne Oger tatsächlich alle fünf Widersacher besiegen sollte.
Immerhin ist das in der mehr als 250 jährigen Geschichte des Ogerringens schon drei Mal vorgekommen. Zwei dieser Sieger kamen aus dem Stamm der Plattnasen, die deshalb als besonders gefürchtete Kämpfer gelten. Allerdings haben in den letzten Jahren die Oger vom Stamm der Spreizfüße die Kämpfe dominiert und mit den Preisgeldern konnten sie ihre im Sumpf schwimmende Stadt Krosarch mit Magie modernisieren.
Heute jedoch waren sie nur in einem der zwanzig Wettkämpfe erfolgreich: in der Altersklasse von 20 bis 29 Jahren. Die Plattnasen gewannen immerhin drei Wettkämpfe. Tagessieger wurden jedoch der Stamm der Knollenohren, die sieben Kämpfe für sich entscheiden konnten.
Dass von den 100 angetretenen Ogern nur 41 überlebten, teilweise schwer verletzt, soll hier nicht verschwiegen werden.
Unter vorgehaltener Hand wird genau dieses ausdünnen des Ogerbestandes jede Woche als wahrer Grund für die Wettkämpfe genannt. Denn in der Zeit davor war es immer wieder zu Ogerüberfällen aus dem dicht bevölkerten Ogersumpf gekommen. Da jetzt aber männliche und weibliche Oger ihren Lebensunterhalt in der Arena von Ligrumaniera verdienen – und mit einem hohen Preisgeld für ihren Stamm zurückkehren, gab es schon seit über 200 Jahren keinen Ogerüberfall mehr.
Die 59 getöteten Oger müssen übrigens nicht aufwendig bestattet werden. Jeder Sieger darf seinen Gegner als Festmahl mit nach Hause nehmen. Dafür stehen vor der Arena reichlich schwimmfähige Handkarren kostenlos zur Verfügung, sodass der Sieger seine Beute bequem zu seiner Familie transportieren kann.
Am nächsten Tag weisen so – außer den verwaschenen Kreidetafeln – keine Spuren auf das Ogerringen hin und das beschauliche Leben nimmt wieder seinen Lauf.
Anders als in der Arena von Magnora ist das Ogerringen durch sein kompliziertes Punktesystem und dem komplexen Regelwerk kein Anziehungspunkt für Touristen aus fernen Ländern geworden. Es war und ist ein lokales Ereignis, dass nur von den Einwohnern der Provinz Ligruda geschätzt wird.
Selbst die Nachbarprovinzen belächeln die Ligruder mit ihren Ogern und gehen lieber zu Gladiatorenwettkämpfen oder Wagenrennen.