Lincheng, die alte Hauptstadt des Ostreiches: 3000 Jahre lang herrschten von hier aus die Könige des Ostreiches, bis vor knapp 1200 Jahren die Niederlage gegen den berühmten Feldherrn des Westreiches, Tarderoz von Umbrinor, dazu führte, dass Yucheng die neue Hauptstadt wurde und die Könige zugunsten von Königinnen abdanken mussten.

Das Königinnentum, das als dauerhafte Schwächung des Ostreiches im Kapitulationsvertrag von Shuishi aufgezwungen wurde, erwies sich schon bald als besondere Stärke eines toleranten und weltoffenen Ostreiches.

Schon seit mehr als 700 Jahren können auch ausländische Frauen als Königin des Ostreiches vorgeschlagen und gewählt werden.

Und so ist auch die gegenwärtige Königin Latifah eine frühere Herzogin aus Antann und eine Cousine Königs Firat III, dem Herrscher des Südlichen Inselkönigreiches.

Dass die alte Hauptstadt Lincheng nicht in Vergessenheit geraten ist, liegt an dem alljährlich stattfindenden Turnier der Paladine.

Ich erinnere mich noch gut, wie mein kleiner Neffe mich fragte, was denn einen Paladin von einem Ritter unterscheidet – beide seien doch meist in Vollrüstung und mit ihrem Wappen zu Pferde zu sehen.

Versuchen Sie einmal einem Sechsjährigen die mannigfaltige Götterwelt in zwei Sätzen zu erklären (es wurde dann ein langer Nachmittag …).

Ich begann so: „Weißt du, Ritter sind meist einem weltlichen Lehensherrn verpflichtet (oder sind selber welche) und leisten diesem besondere Dienste bei kriegerischen Auseinandersetzungen, wo sie zumeist die Kavallerie bilden (also die Angreifer zu Pferde).

Paladine haben auch eine ähnliche Ausbildung wie Ritter bei Waffen und zu Pferde, doch sie dienen einem Tempel, Glauben oder Gott direkt. Meist schützen sie Priester und Tempelanlagen und führen die kriegerischen Auseinandersetzungen der geistlichen Herrscher und Tempeloberen.

Du kannst es dir vielleicht mit folgender Vereinfachung merken:

Der Ritter dient dem König, der Paladin dem Hohepriester …“

Zurück zu Lincheng: Die besonders hohe Tempeldichte resultierend aus den alten Zeiten als Hauptstadt hatte schon immer zu Rivalitäten und Glaubensscharmützeln geführt.

Vor knapp 900 Jahren hatte dann der Erzdruide Weiwei Xuan den Vorschlag gemacht, ein Turnier abzuhalten, um die aggressiven Tendenzen in geordnete Bahnen zu lenken.

Da die Druiden allgemein als neutral angesehen werden und weder Paladine noch Kampfmönche als Beschützer haben, setzte sich der Vorschlag schnell durch.

Als Siegestrophäe einigte man sich schnell auf den „goldenen Schild“, was als gutes Symbol für die Funktion des Paladins angesehen wurde.

Anders als bei Ritterturnieren darf jeder Paladin seine Waffe frei wählen oder sie auch von Kampf zu Kampf wechseln.

1024 Paladine sind zugelassen. Wenn sie in neun Kämpfen siegreich hervorgehen, kämpfen sie im Finale um den „goldenen Schild“.

Die letztjährige Siegerin war Wang Yan vom Lokano-Tempel in Tianmon (Provinz Xinsheng). Sie bringt den „goldenen Schild“ zurück nach Lincheng, damit er dem nächsten Sieger dieses Jahr überreicht werden kann.

Obwohl auch die Wolfer jedes Jahr eingeladen werden, lehnen diese bisher eine Teilnahme kategorisch ab.

Ob sie eine Niederlage fürchten, wenn sie für ihre zahlreichen Kriegsgötter die Fahne hochhalten müssen?

Um die zahlreichen Kämpfe durchführen zu können, scheut sich Lincheng nicht, Opernhaus und das alte Rundtheater zu Kampfarenen umzubauen.

Zahlreiche Gläubige feuern ihre Heroen an und die Stimmung ist bei jedem Kampf nahe dem Siedepunkt.

Während Gladiatorenkämpfe mit vielen Showelementen geschmückt sind und man den Kampf mit kleinen Verletzungen in die Länge zieht, dauern die Kämpfe der Paladine selten länger als eine halbe Stunde.

Legendär war der Kampf zwischen Alisette von Eklorett (Antann/Südliches Inselkönigreich), einer Paladinin des Gottes der Heilkunst Yrden (südliches Pantheon) und dem Halbzwerg Lamed von Cutura (Yodan), einem Paladin des Namenlosen Gottes, der 34 Stunden dauerte und das Turnier dementsprechend um zwei Tage verlängerte. Die Siegerin Alisette wurde dann im nächsten Kampf innerhalb von 10 Minuten bezwungen, was ihrer Erschöpfung geschuldet war.