Von unserem Korrespondenten im Südlichen Inselkönigreich Torben von Silberberg
Wer in den Hafen von Acron einläuft, wird erstaunt feststellen, dass die Luft nicht nach Fisch, fauligem, brackigem Wasser und Kanalisation stinkt, sondern stattdessen wird die Nase umschmeichelt mit dem Duft nach Thymian, Pfeffer, Kurkuma und 1000 anderen Düften von Gewürzen und Kräutern.
Schiffe aus aller Herren Länder warten geduldig im Hafen, um die würzige Ladung aufnehmen zu können.
Wir sind auf der Gewürzinsel Halos im Südlichen Inselkönigreich.
Sobald wir die dicken Stadtmauern von Acron verlassen, beginnen die ersten Gewürzproduktionsstätten. Wer denkt, dass man z. B. Vanille einfach nur pflückt, trocknet und im Mörser zerkleinert, der würde sein – relativ geschmackloses – Wunder erleben. Vor den Toren Acrons sind große Holzsiebe mit Vanilleschoten aufgestapelt, sodass sie fermentieren können. Erst dann kommt der charakteristische Geschmack zustande. Ähnlich wird mit dem Kaffee verfahren, der auch erst mit dem Fermentieren sein Aroma bekommt.
Dann beginnen die Zimtbäume. Deren Rinde ergibt das bei uns gebräuchliche Zimt. Ich reite mit meinem Führer eine halbe Stunde durch einen Zimtbaumwald ehe ich an die Kurkuma- und Ingwerfelder komme.
Mir fällt auf, dass sich Felder und Wälder abwechseln, denn nach den Kurkuma- und Ingwerfeldern reiten wir in einen Gewürznelkenbaumwald ein, der mit seinen roten Blüten einen Blickfang für die Augen bildet.
Mein Führer Sahid erklärt, dass die Abfolge von einer Druidin festgelegt wurde, sodass es so gut wie nie Ernteausfall durch Schädlinge gibt.
Die Druiden haben ein großes Heiligtum im Norden der Insel inmitten eines Moringabaumwaldes. Seine Blätter ergeben ein scharfes, grünes Gewürz, das auch gegen Wundbrand hilft.
Wir reiten wieder zurück nach Acron, in der jeder Einwohner direkt oder indirekt von den Gewürzen lebt.
Und so verwundert es nicht, dass an der Universität von Acron vornehmlich Gewürzkunde und Heilkräuterkunde gelehrt wird.
Trotz der angespannten politischen Lage zwischen dem Westreich und dem Südlichen Inselkönigreich erkenne ich eine große Zahl Studierende aus dem Westreich, meist aus der Kroninsel Merkap, die ähnliche, klimatische Bedingungen wie Halos aufweist, aber bisher nur wenig Gewürzanbau betreibt.
Als ich abends erschöpft in mein Bett falle, stellen sich bald duftige Träume von noch unbekannten Gewürzen ein, die ich sobald wie möglich entdecken möchte …